Erwachen

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Es beginnt stets mit einer winzigen Regung, einem flatternden Zittern, ähnlich einem Schmetterling, der noch zögert, ob er fliehen oder mit breit gefächerten Flügeln still sitzen bleiben soll. Diese erste Regung erstirbt fast sofort, wiederholt sich noch einige Male und wächst schließlich aus sich selbst heraus zu einer wirklichen Bewegung heran.

Irgendwo zwischen dem ungebändigten Meer aus wildem, hellen Haar und dem Rand der vor dem unerwünschten Tageslicht Schutz bietenden Bettdecke öffnet sich ein Auge. Nur einen winzigen Spalt, und nur für einen kurzen Augenblick, dann schließt es sich sofort wieder. Öffnet sich erneut. Sieht mich an.

Es ist dieser Transitmoment, der Übergang vom unbeschwerten Träumen einer Nacht hin zum Erkennen der wirklichen Welt am Tage. Ich mag diesen Augenblick sehr.

Ich erkenne ihn daran, dass sich plötzlich wieder bernsteinfarbenes Feuer in die grüne See deiner Iris stiehlt. An den plötzlichen Fältchen in deinen Augenwinkeln, als der Schalk zurückkehrt, und ich weiß einfach, dass du lächelst, egal wie sehr du deinen Mund hinter der Decke zu verstecken versuchst, in der gleichen Geste, mit der man selbst dereinst um “nur noch 5 Minuten” bettelte.

Auch, dass du die Augen wieder zukneifst und den Kopf tiefer ziehst, dich hinter deiner dunkelblonden Mähne und der Bettdecke verbirgst, bringt dich nicht mehr in Morpheus Welten zurück, das weißt du so gut wie ich. Natürlich kämpfst du noch gegen das Erwachen an, wie ich es auch stets tue.

Ich warte geduldig, bis du wieder von allein die Augen öffnest und herausschaust aus deinem spielerischen Schildkrötenpanzer. Du lächelst immer noch, aber nun versteckst du es nicht mehr. Dein Gesicht erscheint nun ganz, als du die Decke nach unten ziehst und den Kopf reckst. Ich betrachte deine Lachfalten, deinen Mund und begegne deinem Blick, der mir einen weiteren Tag in deiner Gesellschaft verheißt, mit meinem eigenen Lächeln.

“Guten Morgen.”

Choices

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There were two possibilities, yes or no – and I gracefully took the wrong one, of course.

I can only imagine what my answer did to you, but your immediate disappointment was all too clear for me, too evident not to notice. I could practically feel it, even though each of us was on their own side of the screen, and half the internet was between us.

“Look at me” you once said, but I had only looked at myself today. My mood swings, my discomfort, my inner challenges and my need to bathe in solitude tonight after this aggravating day finally came to its end.

When I answered, I only told you the truth, as I had promised I’d always do – but what I said was exactly what you didn’t want to hear.

You simply said goodbye, and I was bereft of the words I needed to fix this mistake, fix my wrongdoing, make it right again, there and then. I still have not found them. I tried so say, I was sorry, but I think you only thought of me as insincere. I still want to tell you, how much I regret having been honest and still choosing wrong…

But you had already gone. And my thoughts were all I had left.

By now, I wonder if this moment today was of importance. Will this be a milestone or a turning point for us? Will it make you, or me, or both of us realize something? About each other, about ourselves, about us and what we have together? Perhaps something… final?

I’m very afraid of that, and there it is again. The insecurity. The fear of forcing my will on you, and the fear of you bending and bowing to my every wish and thereby losing yourself. The endless dance of who asks what and why, and how much asking is too much – if there is such a thing as having too much of someone you care about. The fear of you waking up as a twisted reflection of yourself, as you had predicted before. The fear of our roads leading apart instead of together.

Staring at my hands, I suddenly feel old. Maybe too old now to tell all the stories I wanted to tell in my youth. Maybe too old to write this new story, about you and me. Maybe too old a dog to learn a couple of new tricks after all.

I know that I cannot find a solution tonight. I have too much doubt. I feel that nothing I think or say will undo what I have said before. I can only look ahead.

And hopefully, you’ll be there.

Puppenliebe

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(© by me; original text “Puppet Love” first posted on November 26th, 2014 at A Voice in Black and White)

Der Riss verlief von ihrem Haaransatz ihre Stirn hinab, über Braue und Auge bis auf ihre Wange, drehte dann seitlich ab und endete unterhalb ihres Ohres. Sie berührte ihn, unbeholfen, betastete ihn mit steifen Fingern, die sacht über die unebene Oberfläche ihres ansonsten makellosen Porzellangesichts streiften. Ein Teil ihres aufgemalten Auges gab unter der Berührung nach, splitterte, löste sich und fiel ab.

„So fühlt es sich also an, wenn man zerbricht…“ flüsterte die Puppe, und ihre Stimme war eher erstaunt als von Schmerz erfüllt. Ihr schwerer Kopf hatte mehr Gewicht als ihr Körper; es war ihr unmöglich, sich ohne Hilfe aufzusetzen. Die unbeweglichen Keramikhände am Ende ihrer schwachen Arme fielen mit einem weichen, dumpfen Geräusch in ihren baumwollenen Schoß zurück. Sie versuchte Tränen fort zu blinzeln, die nicht da waren, und vermochte es nicht.

Der Teddybär antwortete nicht. Seine weichen Pfoten waren nicht stark genug um zu helfen. Er tapste hinüber zum Grammophon, lehnte sich mit ganzer Kraft gegen den Schalter, und als er ihn endlich umgelegt hatte, kehrte er – einen wackligen Schritt nach dem anderen – zur Puppe zurück. Dort setzte er sich hin und streichelte unbeholfen über ihr Gesicht. Ein schwacher Trost.

Staubflocken tanzten in einem verlorenen Sonnenstrahl, der sich durch einen Spalt in den schweren, roten, samtenen Theatervorhängen gestohlen hatte. Die Schallplatte drehte sich, die Nadel lief rauschend und knackend in ihrer Spur und dann setzte die Musik ein. Ellas Stimme schwebte heran, wie ein seidenes Tuch, das in einer spätsommerlichen Brise flatterte.

“Say, it’s only a paper moon
Sailing over a cardboard sea
But it wouldn’t be make-believe
If you believed in me…”

Puppet Love

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The crack ran from her scalp down her forehead, across brow and eye onto her cheek, then veering off to the side and ending somewhere beneath her ear. She touched it clumsily, with stiff fingers caressing the uneven surface of her otherwise flawless porcelain face. Part of her painted eye yielded to the touch, then splintered, loosened and fell off.

“So, this is what breaking up feels like…” the doll whispered, more in astonishment than in pain. Her heavy head outweighed her body, and sitting up without help was impossible. Her ceramic hands at the end of the weak arms fell back into her cotton lap with a soft thud. She tried to blink away tears that weren’t there, but couldn’t.

The teddy bear didn’t answer. His soft paws were not strong enough to help. He waddled over to the phonograph, strained to shove the switch and when he had finally managed it, he returned to the doll, one frail step after the other. There, he sat down, brushing awkwardly against her face. A weak consolation.

Motes of dust danced in a lost sunbeam, that managed to steal through a slit in the heavy, red velvet theater curtains. The record spun, the needle ran in its track, producing crackling and rattling sounds and then the music set in, with Ella’s voice floating above it like a silken shawl fluttering in a late summer breeze.

“Say, it’s only a paper moon
Sailing over a cardboard sea
But it wouldn’t be make-believe
If you believed in me…”

Treibholz

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(© by me; original text “Driftwood” first posted on August 10th, 2014 at Suburban Road)

Als sich die kalten Wellen vor mir brechen, muss ich an das erste Mal denken, dass du und ich hier standen. Damals war noch alles in Ordnung; alles war neu und aufregend. Es ging uns gut, was auch immer “wir” nun eigentlich waren. Es war keine Liebe, keine Freundschaft, keine reine Geschäftsbeziehung; es war irgendetwas dazwischen und doch nichts von alledem.

Als es damals mit uns anfing, wurde uns schnell klar, wie unterschiedlich wir eigentlich waren. Es war reine Notwendigkeit, die unsere Zusammenarbeit erforderlich machte, aber daraus wuchs etwas anderes, das aufblühte. Es führte uns zum Erfolg, machte unser Zusammenspiel reibungsloser. Ich lernte deine Andersartigkeit zu respektieren, so wie du die meine – zumindest glaube ich, dass du das tatest. Und mit der Zeit entdeckten wir sogar einige Gemeinsamkeiten; weitere Steinchen in den großen Mosaik, das uns als Team auf lange Sicht nur noch besser machte.

Wir feierten in der Nacht, als wir unseren ersten eigenen Coup erfolgreich abgeschlossen hatten. Genau hier an dieser Stelle saßen wir und redeten, tranken Wein, rauchten einige Joints und lauschten den Klängen meiner Anlage, die aus den offenen Fenstern drangen. Ich hatte das Auto halb den Strand hinaufgefahren und das Radio voll aufgedreht, doch die Musik war kaum lauter als die Brandung. Mittendrin standest du plötzlich auf und sagtest, du wärst gleich zurück. Ich erinnere mich nicht mehr, woran ich genau dachte, während ich wartete, bis die Musik sich plötzlich veränderte.

Ich drehte meinen Kopf und sah, wie du auf der Fahrerseite ausstiegst. Du hattest eine Decke um dich gewickelt, die dich von den Schultern bis zu den Knien bedeckte. Als du näher kamst, sah ich, dass du die Enden vorn mit der geballten Faust zusammen hieltest. In deiner anderen Hand hattest du eine Flasche – Whisky, den harten Stoff.

Du gingst um mich herum und hieltst vor mir an, drehtest dich zu mir und öffnetest deine Faust. Die Enden der Decke fielen zur Seite, und ich erkannte, dass du darunter nackt warst. Im nächsten Augenblick warst du auf mir, und wir setzten unsere private Feier fort. Ich erinnere mich gut an das Gefühl des feuchten Sandes in meinem Rücken und an die Hitze deines Körpers auf mir, aber weitere Details bleiben verschwommen – daran war der Alkohol schuld. Ich erinnere mich aber, dass währenddessen immer dasselbe Lied spielte, wieder und wieder in einer endlosen Schleife. Dein Song, so nannte ich ihn seitdem. Du hast genau dort, noch in jener Nacht unseren nächsten Coup vorgeschlagen. Ich willigte ein – und das war erst der Anfang gewesen.

Wir feierten alle unsere Erfolge auf diese Weise, und es fühlte sich wie eine Glückssträhne an. Wir trieben auf einer Welle aus Erfolg, die einfach nicht verebbte, und fühlten uns, als könnte nichts jemals schief laufen. Was auch immer wir wollten, wir nahmen es uns; jede Idee wurde ein voller Erfolg, der uns nicht nur Kohle einbrachte, sondern uns berühmt machte… berüchtigt… beides. Du hattest die Ideen und die Kontakte, ich hatte das Know-how und die Logistik. Wir planten alles gemeinsam und als ein Team waren wir die Gewinner.

Bis zu jenem Tag, als du jemanden Neues mitbrachtest. Du nanntest ihn einen Partner, und als er und ich uns die Hände gaben, spürte ich, dass er mehr als nur ein Geschäftspartner war. Von diesem Zeitpunkt an sah ich dich immer seltener; du hattest plötzlich Dinge zu erledigen und den nächsten Coup vorzubereiten, hast du behauptet. Eine Weile lang habe ich diese Ausrede akzeptiert, aber ich glaube, tief drinnen wusste ich von Anfang an was los war. Mir war klar, dass du in einflussreichere Kreise aufgestiegen warst, neue Freunde und Partner gefunden hattest. Ich sah es; ich beobachtete deine Weiterentwicklung, und ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bist du dich meiner entledigen musstest. In einem Business wie dem unseren lässt man keine losen Enden zurück.

Deine Falle war simpel und effektiv, doch konnte sie mich nicht aufhalten; ich war auf den Hinterhalt vorbereitet. Nachdem ich den zweiten Angreifer getötet hatte, versuchte der Rest zu fliehen – vergeblich. Ich versenkte alle vier Leichen im Meer, nachdem ich sie unkenntlich gemacht hatte; ihre Füße waren an Betonblöcke gekettet. Dann machte ich mich auf die Jagd nach dir. Ich wusste, ich würde dich bei deinen neuen Freunden finden. Seit du in ihren Kreisen verkehrtest, hattest du mehr Zeit mit ihnen als mit mir verbracht. Was ich zunächst für einfache Eifersucht gehalten hatte, hatte sich spätestens jetzt eisigen Hass verwandelt.

Dein neuer Partner war mein erstes Ziel. Ich dachte, ich würde dich in seinem Büro antreffen, doch er war allein, und er war betrunken. Das Radio auf seinem Regal hatte ein Kassettendeck, und es spielte einen Song, den ich kannte; denselben Song von damals, als wir zum ersten Mal feierten – deinen Song. Ich frage mich, für wie viele andere du ihn seitdem gespielt hast.

Als er aufblickte und erkannte, dass ich es war, der vor ihm stand, versuchte er, nach etwas in seiner Schublade zu greifen. Ein kurzer, harter Tritt in seine Seite und die Mündung meiner 9 mm überzeugten ihn augenblicklich, keine weiteren Dummheiten zu versuchen. Womit ich nicht gerechnet hatte, waren seine Tränen. Und doch flehte er gar nicht um sein Leben – er heulte nur immer wieder deinen Namen, wie eine kaputte Schallplatte. Er war nun nicht mehr als lediglich ein weiteres Opfer. Erbärmlich.

Ich fuhr ihn zu unseren Strand. Dort gab ich ihm eine Flasche Whisky zu trinken, und die ganze Zeit über lief dein Song in meinem Autoradio, genau wie damals. Irgendwann war die Flasche leer und dann… war er tot. Ich zog seinen Leichnam auf das notdürftig zusammengezimmerte Floß, kettete ihn an einen weiteren Betonblock, übergoss ihn mit Benzin und schob alles in die Brandung. Als mir das kalte Wasser bis zu den Knien reichte, zündete ich mir eine Zigarette an und warf das billige Feuerzeug aufs Floß, das sofort Feuer fing. Dann watete ich zum Strand zurück, während die Flut ihn wie geplant hinaustrug. Die Musik ließ ich einfach weiter laufen, bis sich das Floß größtenteils in Rauch aufgelöst hatte und seine brennenden Überreste samt Betonblock schließlich dem Lockruf der Schwerkraft nachgaben und hinab in die nasse Finsternis sanken.

Ich höre noch immer, wie die Wellen leise rauschen. Dein Song läuft noch immer in meinem Autoradio, und ich denke immer noch an dich. Ein paar Stücke verkohlten Treibholzes tanzen vor mir in der Brandung. Ich werde mit Sicherheit eine höllische Erkältung bekommen, aber ich musste ihm einfach dieses Geleit geben. Deine Totenwache wird mit Sicherheit sehr viel länger dauern, wenn ich dich erst einmal gefunden habe. In einem Business wie dem unseren lässt man nun einmal keine losen Enden zurück.

Ich drehe mich um, schnipse achtlos meinen Zigarettenstummel in den nassen Sand, der einst unser Bett war, und gehe zurück zu meinem Auto, um endlich, endlich diesen verdammten Song abzuschalten.

Rewind

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(© by me; original text “Rewind” first posted on May 9th, 2013 at Suburban Road)

Nobody told me there’d be days like these… Wahrscheinlich war es eine dieser grundlegenden Fragen, eine von diesen Entscheidungen, bei denen man nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten hat: Schoko oder Vanille, Coke oder Pepsi, Stones oder Beatles. Für dich war zumindest diese eine konkrete Frage bereits entschieden, noch lange bevor wir uns begegneten: die Beatles, ganz klar.

Rewind. Play.

Mein Ding waren die Beatles nie so wirklich. Klar habe ich gelernt, ihnen zuzuhören; vor allem aber habe ich verstanden, wieso du sie so mochtest und warum die kleinen Härchen auf deinen Armen und in deinem Nacken sich aufstellten, sobald du einen bestimmten Akkord oder eine Melodie hörtest. Ich habe gesehen, dass sie dir etwas gaben… und mir nicht. Ich habe zu ihnen im Takt mit dem Fuß geklopft, habe ab und an einen Refrain mit dir zusammen gesummt, habe mich gefreut, wenn du mit ihnen glücklich warst – aber ihre Musik hat mich innerlich nie so sehr erfüllt wie dich.

Rewind. Play.

War das der Grund, warum wir es nicht geschafft haben? Oder nur eine weitere Welle, die unser Boot letztlich kentern ließ?

Ich habe dein Mixtape gefunden, das, von dem du dachtest, wir hätten es in der alten Wohnung verloren. Es steckte in einem kaputten Walkman von mir, und ich weiß auch wieder wieso: ich habe es dort hineingetan. Ich musste es vor dir verstecken, weil du diesen einen Song immer und immer wieder gespielt hast, jeden Tag, wochenlang. Dann hattest du dir endlich einen anderen Ohrwurm gesucht, und ich habe das Band versteckt, aus Angst, du könnest wieder zu diesem Lied zurückkehren. Doch das ist nicht passiert.

Rewind. Play.

Stattdessen spiele ich es jetzt, auf dem Kassettendeck meiner alten Anlage, die ich all diese Jahre aufgehoben habe. ‘Aus Nostalgie’ sagte ich immer, und du hast gelacht, den Kopf geschüttelt und mich einen Schrottsammler genannt, der sich einfach nur nicht von seinen Sachen trennen wollte. Aber du hast mich dafür geliebt, dass ich sie behalten habe; das haben mir deine Augen verraten. Und inzwischen glaube ich, dass ich sie all diese Jahre nur dafür aufbewahrt habe, um mir heute dein Band anzuhören. Grade jetzt singt Lennon davon, dass jeder ein Gewinner ist. Habe ich die Stelle mit den Nazis im Badezimmer schon verpasst oder kommt sie noch? Mir fällt jetzt wieder auf, dass gar nicht alle singen; es ist nur John.

Rewind. Play.

‘Nur John’ – damals hättest du mir für diese Worte spielerisch für ein paar Augenblicke die Hände an die Kehle gelegt und mich geschüttelt, aber dann hättest du dich hingesetzt, die Beine überkreuzt, mich ernst angesehen und mir einmal mehr die Wichtigkeit dieses einen Mannes erklärt, seinen Einfluss auf Öffentlichkeit, Gesellschaft und Politik und die Macht seiner Worte und Taten. Ich erinnere mich noch, wie du immer betontest, dass seine Liedtexte zu den wichtigsten und wirkungsvollsten zählten, die du je gehört hast. Ich hätte dann genickt, so wie immer, und dabei an den Anderen gedacht, den man den Electric Poet nannte, oder auch Mr. Mojo Risin. Ich glaube, in gewisser Hinsicht war Jim für mich das, was John für dich gewesen ist: jemand, der etwas zu sagen hatte, auf seine ganze eigene Art. Aber du hattest dich auf The Doors nie so sehr einlassen können wie ich, das wusste ich, und daher habe ich dich nie unterbrochen. Es wäre einfach zu viel Aufwand gewesen.

Rewind. Play.

John Lennon. Bevor ich dich traf, war alles, was ich über ihn wusste, dass er sich mit diesem Mädchen aus Japan eingelassen hat und dass daran letztendlich seine Band zerbrochen ist. Einmal, auf dieser einen Party damals, beging ich den Fehler, das laut auszusprechen und dich hat das natürlich gleich verärgert. Sofort hast du angefangen, mir einen Vortrag über das Leben von John Lennon zu halten, denn du warst nicht gewillt, meine oberflächliche und offenkundig falsche Sichtweise zu dem Thema einfach so im Raum stehen zu lassen. So haben wir uns damals kennengelernt. Und uns dann, als es ruhiger wurde, zum ersten Mal so richtig unterhalten.

Was war eigentlich mit den drei anderen? Da war natürlich McCartney, klar, an ihn erinnere ich mich von diversen anderen Aktionen; hauptsächlich Wohltätigkeitsveranstaltungen, aber auch eigene Konzerte und Aufnahmen mit anderen Musikern. Ich habe ihn nie Paul genannt, so wie du, für mich war er einfach immer nur McCartney. Beim Namen des anderen Gitarristen verlässt mich mein Gedächtnis fast immer; ich überlege dann meistens für mindestens fünf Minuten, aber er fällt mir nie ein. Er ist vor einer Weile gestorben, so viel weiß ich noch, aber mehr bleibt mir einfach nicht im Kopf. John ist jedenfalls schon länger tot als er.

Rewind. Play.

Und Ringo Starr, natürlich. Diesen Namen werde ich ganz sicher nie vergessen. Und das vor allem wegen Thomas, dieser albernen kleinen Lokomotive aus dem Kinderfernsehen. Wir haben James sogar so eine als Spielzeug geschenkt, weißt du noch? Ich erinnere mich deutlich, wie aufgeregt du plötzlich warst, nachdem du gelesen hattest, dass der Drummer in einigen der frühen Episoden die Stimme des Erzählers war. Natürlich hast du gleich alle Folgen gekauft und sie dir mit James angesehen, immer und immer wieder. Ich bin mir sicher, du hättest ihn auch die Beatles hören lassen.

Rewind. Play.

Nobody told me there’d be days like these… John singt immer noch, unverändert, unablässig und in voller Lautstärke, so wie damals. Auch mir hat niemand gesagt, dass es Tage wie heute geben würde, an denen die Erinnerungen stärker sind als alle Vernunft oder Logik. Wenn der alberne Wunsch, die Zeit zurückzudrehen und alles zu ändern, stärker ist als alle Gelöbnisse der Nüchternheit und sämtliche Wochen und Monate des Trockenseins zusammen. Wenn alles, was du hast, die Flasche in deiner Hand ist, und die Vergangenheit in deinem Kopf und die Trauer in deinem Herzen und der elende Wunsch in deinen Eingeweiden, dass es alles endlich endet. Ihn zu verlieren war schon schwer genug; dich auch noch zu verlieren war unerträglich. Und das ist es immer noch.

Rewind. Play.

Es war der Unfall. Natürlich, es war ein Unfall, jeder hat das gesagt. Keiner hätte es vorhersehen können, oder verhindern. Es geschah alles so schrecklich schnell… und ich war wie erstarrt. Von einem Augenblick zum anderen war da diese Leere in unseren Leben, ein Riss, ein schwarzes Loch zwischen uns, und nichts, was wir tun oder sagen oder wünschen konnten, würde es je wieder schließen. Denn James war weg. Unser Junge war weg und er würde nie mehr wiederkommen.

Vielleicht war das der Grund, warum du letztendlich für immer fortgegangen bist. Vielleicht war es die Tatsache, dass kein Beatles-Song je diese Leere für dich hätte füllen können – und selbst wenn es einen gegeben hätte, wäre ich kein Teil davon gewesen, das weiß ich. Die Beatles waren ein Teil deines Lebens, aber nie wirklich ein Teil von meinem. Ich glaube, das wusste ich. Von Anfang an.

Vielleicht war es wirklich diese eine grundsätzliche Sache, die uns beide einst zusammenführte – aber letztlich doch für immer trennte.

Rewind. Eject.

Worth

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Look at yourself, he suggests
Where you come from
Where you have been
What you have done
What your achievements are
Your report cards, grades, titles, acknowledgements
Your history told it all
You are not nothing

You listen
and the little voice giggles

Look at your self, he says
Where you are today
Who you are with
What you do now
Why and how you do it
Your job, projects, friends, people that love you
Your present has it all
You are not a nobody

You listen
and the little voice laughs out loud

Look at yourself! he commands
Where your road leads
Who you will be
What you will do then
Why you cannot stop
Your wishes, desires, plans, wildest dreams
Your future will show them all
You are not negligible

You listen
and the little voice is silent
but you can feel it smile